Im Gespräch mit Franz Mayr-Melnhof-Saurau – Teil 1

Die Zeitschrift WIR TUN WAS erscheint dreimal jährlich. Darin zu finden sind Informationen und Aktuelles rund um das Thema Biodiversität in Österreich. In der zweiten Ausgabe 2022 erschien ein Interview, welches von Unterholz mit dem steirischen Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau geführt wurde.

Das Familienunternehmen Mayr-Melnhof-Saurau ist seit Generationen in der Forstwirtschaft tätig. Mit 32.400 Hektar Waldfläche ist Franz Mayr-Melnhof-Saurau Österreichs größter Privatwaldbesitzer. Er spricht darüber, wie ein ausgewogenes Miteinander zwischen Natur, Mensch und Wirtschaftlichkeit gelingen kann und wie man die Fichte „artgerecht halten“ kann.

Unterholz: Herr Mayr-Melnhof-Saurau, als Jäger und Forstwirt arbeiten Sie in unterschiedlichen Bereichen rund um das Ökosystem Wald. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?

Mayr-Melnhof-Saurau: So viel wie möglich unter ein Dach zu bekommen, um Biodiversität leben zu können. Der Mensch hat viel geschaffen, er hat aber auch viel kaputtgemacht. Und hier ist es das Ziel, ein ausgewogenes Miteinander zwischen Tieren, Pflanzen und dem Menschen zu finden. Das ist die große Herausforderung.
Ein Beispiel ist die Diskussion der Baumartenwahl und was noch Zukunft hat. Wir haben vor 30 Jahren damit begonnen, zu schauen, was die steirische Fichte, die in den Bergwäldern wächst, eigentlich ausmacht. Sie ist ein sehr schmaler, hochwachsender Baum, der auch mit Schneelasten umgehen kann und dem Wind trotzt, weil er feinere Äste hat. Wir haben ein Projekt zur Stecklingsvermehrung begonnen, um diese Genetik weiter im Wald zu behalten bzw. sie zurückzubringen. Das heißt, wir haben eine Hecke gepflanzt, schneiden nun jedes Jahr Triebe ab und setzen diese in einem Folienhaus in einer Nährstofflösung in ein Schotterbeet. So schaffen wir es, aus diesen Stecklingen Wurzeln schlagen zu lassen, um sie zurück in den Wald zu bringen. Durch gemeinsame genetische Untersuchungen mit dem Waldbauinstitut des BFW haben wir herausgefunden, dass diese Bäume trockenresistenter sind als andere. Es macht Spaß, sich damit auseinanderzusetzen und zu versuchen, diese Natur, die einmal da war, auch mehr zu unterstützen.

Unterholz: Trockenresistenz in Zeiten des Klimawandels ist auch im Wald ein großes Thema. Was ist für unsere Zukunftswälder aus Ihrer Sicht wichtig?

Mayr-Melnhof-Saurau: Wir wissen, dass Licht Leben ist und wir haben in der Vergangenheit gelernt, wie wichtig die Stammzahl ist. Wie viele Bäume braucht es eigentlich bei der Aufforstung am Hektar?

Wenn man 50 Jahre zurückgeht, hat man 6.000 Pflanzen gesetzt, also extrem viele. Wir sind jetzt mittlerweile bei 1.400 und schaffen es damit, die Wälder wieder stabiler aufzubauen. Es gibt auch die „artgerechte Haltung“ der Fichte, wie ich es nenne: zu viel ist nicht gut. So wie zu viele Schweine im Stall nicht gut sind, sind auch zu viele Fichten im Wald nicht gut. Auch weil einfach eine Nährstoffkonkurrenz da ist und es bei den Pflanzen zu Stress kommen kann, gerade wenn es trockenere Phasen gibt.

Wir schauen mit unserem Waldbaukonzept darauf, die Bäume weiter entfernt aufwachsen zu lassen und so stabilerer Bestände zu bekommen, weil der Baum bereits früh freisteht und wachsen muss. Er bildet bessere Wurzelsysteme aus, weil er eben schon früher dem Wind ausgesetzt ist. Wir schaffen es dadurch auch mehr Krautschicht und damit mehr Biomasse zwischen den Bäumen zu haben. Das heißt zusätzlich mehr Äsung auf der Fläche zu haben, wodurch sich das Wild besser auf der Fläche verteilt. Wir schaffen durch diese wenigeren Bäume auch schnellere Umtriebszeiten. Statt 120 Jahren vielleicht nur 100 Jahre, und das kommt der Forstwirtschaft zugute – auch wenn es immer noch lange dauert.

Unterholz: Neben dem Klimawandel stellt uns auch die Biodiversitätskrise, unter anderem das Insektensterben, vor große Herausforderungen. Was können wir tun, um das Artensterben – auch im Wald – zu verhindern?

Illustration aus: Der verwandelte Wald, Rainer Sacher, Altberliner Verlag Lucie Grosser, Berlin 1976

Mayr-Melnhof-Saurau: Es gibt hier sehr gute Projekte mit der Steirischen Jägerschaft und anderen Naturschutzgruppen, um Biodiversität auf der Fläche zu fördern. Es ist mittlerweile auch den LandwirtInnen ein Anliegen, und ich glaube, dass diese Themen auch stark in die Gemeinden hineinmüssen, weil wir viele Dinge gemeinsam heben können. Etwa die Diskussion des Mulchens. Kaum ist ein Gras zehn Zentimeter gewachsen, wird gleich gemulcht.

Ich denke, wir sind so weit, dass wir der Bevölkerung klarmachen können, dass eine Fläche, die ein bisserl durchgewachsen ist, zwar nicht so ganz „gestylt“ ausschaut, der Biodiversität aber einen enormen Segen bringt. Wenn wir beispielsweise immer alle Brutplätze von Insekten kaputtmachen und diese nicht akzeptieren, weil sie nicht so „schön ausschauen“, dann werden wir als Gesellschaft, glaube ich, nicht gewinnen.

Hier braucht es sehr viel Um- und Neudenken. Es darf da und dort ungepflegt sein, damit die Artenvielfalt in diesen Bereichen leben kann. Ein sinnvoller Aspekt, der Tür und Tor öffnet, ist auch ein finanzieller. Wir sparen durchaus Kosten ein, wenn wir weniger machen. Ich denk, dass es außerdem enorm wichtig ist, die Bildung bei alle Stakeholdern hochzuhalten, damit wir diese Schritte zur Biodiversität einerseits erhalten und andererseits ausbauen können. Das wird auch notwendig sein, um weiterhin in den ländlichen Bereichen von der Land- und Forstwirtschaft leben zu können.

Steckbrief

Franz Mayr-Melnhof-Saurau
Besitzer Forstbetrieb Franz Mayr-Melnhof

Mehr Infos hier: Webseite Forstbetrieb 




Gedruckt/Veröffentlich in:
02/2022, WIR TUN WAS - Informatives und Aktuelles zum Schutz unserer Biodiversität in Österreich.
Link: www.wirtunwas.net/
Copyright: Mayr-Melnhof-Saurau